Kristin Kluge (l.) hat ihre Tochter Ida mit in die Praxis von Jeanine Stitterich gebracht. © René Meinig

Neue Schwerpunktpraxis für Pädiatrie eröffnet

Dresdner Therapeutin: “Oft sind nicht die Kinder das Problem.”

Um Familien bei den Nachwirkungen der Corona-Pandemie zu helfen, hat in Dresden eine Therapiepraxis eröffnet, die auf die Kleinsten spezialisiert ist.

Mutig klettert die kleine Ida die Sprossen der Treppe hoch. Eigentlich soll sie von dort aus rutschen, doch sie springt lieber zielsicher in die Arme ihrer Mama. Und gleich nochmal von vorn.
Ida kam im Herbst 2019 als Frühchen vier Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt. Manchmal ist sich ihre Mutter Kristin Kluge nicht sicher, ob ihre Tochter sich in allen Bereich altersgerecht entwickelt.
Deswegen sind sie gemeinsam in die Ergotherapie-Praxis in der Mälzerei gekommen, die erst am 1. Februar eröffnet wurde. Als pädiatrische Schwerpunktpraxis widmen sich die Experten hier vor allem Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien.
“In meiner Elternzeit habe ich viele Mütter und Väter kennengelernt, die in der Corona-Pandemie zunehmend überfordert waren”, sagt Jeanine Stitterich. Deswegen sei bei ihr der Wunsch gewachsen, nach ihrer Rückkehr dieses besondere Projekt voranzutreiben.
Die 30-Jährige ist bei der GESOP angestellt, einer gemeinnützigen GmbH, die als freier Träger der Sozialpsychiatrie Wohn-, Betreuungs- und Beratungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen anbietet .

Im Bereich Ergotherapie betreibt die GESOP seit 2017 bereits eine Praxis mit dem Schwerpunkt Psychiatrie. Nun also soll es in der zweiten Praxis speziell um die Kleinsten gehen. Als Bereichsleiterin pendelt Jeanine Stitterich zwischen beiden Praxen. Während der Standort auf der Schweizer Straße bereits ausgelastet ist, kann und soll sich das neue Angebot in der Mälzerei noch herumsprechen.
Im 3. Obergeschoss des historischen Gebäudes sind komplett neue Räumlichkeiten entstanden, darunter ein Bewegungsraum und ein Beratungszimmer. Die Ergotherapie teilt sich den Platz hier mit einer neuen Außenstelle der Jugendhilfe, die ebenfalls zur GESOP gehört.
“Bedarf für ergotherapeutische Hilfe gibt es genug”, ist sich die junge Leiterin sicher. Die monatelangen Einschränkungen in der Corona-Krise wirkten sich auch auf die Entwicklung der Kinder aus. “Sie sind jetzt anderthalb Jahre lang nur unregelmäßig zur Schule und in den Kindergarten gegangen.”

“Spätfolgen erst in Jahren sichtbar”
Durch den Wegfall der Interaktionen fehle es nun vielen an sozialen Kompetenzen. Dazu kämen Probleme, die erst auf den zweiten Blick deutlich werden. “Durch die Masken erkennen die Kinder keine Mimiken und lernen nicht, sie zu deuten. Die Spätfolgen all dieser Probleme werden erst in ein paar Jahren sichtbar werden.”
Die naheliegende Frage lautet nun: Wie kann Ergotherapie den Kindern helfen – und was unterscheidet Ergotherapie überhaupt von Physiotherapie? “Vereinfacht kann man sagen, dass Physiotherapie den Körper behandelt und Ergotherapie den Menschen”, sagt Jeanine Stitterich. “Hier geht es darum, wieder in den Alltag zurückzufinden.” Geholfen werden könne bei Hyperaktivität genauso wie bei anderen Entwicklungsstörungen. Die Therapien werden entweder vom Kinderarzt verordnet und über die Krankenkasse abgerechnet oder privat bezahlt.

Weniger Reiz ist mehr
Im vergangenen Jahr hat Jeanine Stitterich eine Ausbildung für Säuglingstherapie absolviert und besitzt nun als eine von nur drei Therapeutinnen in Dresden diese Qualifikation. “Hinter den bekannten Dreimonatskoliken steckt in Wahrheit oft eine Reizüberlastung. Einige Babys schaffen es nicht, das zu steuern”, sagt sie.
Schon das “Gebammel”, das oft an der Babyschale hängt, könne ihnen zu viel sein. Das Ergebnis sei dann unüberhörbar. Am Ende der Kette stehe nachweislich eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine spätere ADHS-Diagnose. In ihrer Arbeit richtet sich die Expertin daher auch an die Eltern und zeigt ihnen, wie sie dem Nachwuchs eine möglichst reizarme Umgebung bieten können. Genau das ist auch der Grund, warum die Wände in der Praxis nicht knallbunt gestrichen, sondern ziemlich weiß sind. Viele würden das Verhalten ihrer Kinder einfach missverstehen. “Oftmals sind gar nicht die Kinder das Hauptproblem, sondern der Umgang mit ihnen.” Therapien für Kinder könnten allerdings generell nicht nach Schema F abgehandelt werden. Viel lernten sie über das Spielen. Oft nimmt Jeanine Stitterich dabei auch Videos auf und wertet sie anschließend mit den Eltern aus.

Klettertherapie für das Selbstbewusstsein
In ihrer neuen Praxis bietet eine speziell geschulte Kollegin auch Klettertherapie an, die unter anderem das Selbstbewusstsein stärken soll. Die Griffe wurden bislang allerdings noch nicht an die Holzwand geschraubt, da es Lieferprobleme bei den Fallschutzmatten gibt.
Für die zweijährige Ida käme das Klettern sowieso noch zu früh. Schon seit über einem Jahr geht sie in den Kindergarten, also theoretisch. “Die Eingewöhnung haben wir noch mit Ach und Krach geschafft, dann kam der Lockdown”, erinnert sich Mutter Kristin Kluge.
Obwohl sie am Anfang mit Bedenken in die Praxis kam, kann Jeanine Stitterich sie beruhigen. “Nach meiner Einschätzung entwickelt sich Ida völlig normal”, sagt die Therapeutin, nachdem sie das Mädchen einige Stunden lang kennenlernen durfte. Und das hört doch jede Mama gern.

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Ergotherapie für Kinder